Vor dem Flughafen Keflavík wartet bereits Hanna mit einem nagelneuen Wohnmobil, unserem rollenden
Ferienhaus für die nächsten Wochen. „Der Wagen hat sechs Gänge. Aber den höchsten Gang werdet Ihr nicht brauchen“, erklärt
die Mitarbeiterin des Autovermieters. Schließlich beträgt die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf Island nur 90 Stundenkilometer.
Doch oft geht nur viel weniger. Vor allem bei Sturm. „Bei drohendem Unwetter schicke ich Euch eine SMS“, verspricht
Hanna.
In den nächsten Tagen fahren meine Frau und ich auf der Ringstraße 1 in südöstlicher
Richtung. Islands wichtigster Verkehrsweg führt durch eine der aufregendsten und abwechslungsreichsten Regionen Europas. Vorbei
an riesigen Gletschern, wilden ungebändigten Flüssen, gewaltigen Wasserfällen, heißen Quellen und bizarren Steilküsten, in
denen Millionen von Seevögeln brüten. Der 1400 Kilometer lange „Rundkurs“ verläuft durch grüne Täler,
über steile Gebirgspässe und lebensfeindliche Hochplateaus.
Viele Campingplätze haben sich
auf Wohnmobile eingestellt. Besonders spektakulär gelegen ist der Platz am Fuße des Wasserfalls Skógafoss
im Süden Islands, der über 60 Meter senkrecht hinabstürzt. Wohnmobile sind auf Island zwar recht teuer zu mieten. Dafür ist
das Essen wegen der schwachen isländischen Krone deutlich billiger als früher. Es müssen ja nicht gerade Spezialitäten wie
gebratener Schafskopf oder fermentierter Hai sein.
Einer der wohl schönsten Orte zum Campieren
finden wir südlich des Städtchens Höfn. Einige Kilometer abseits der Nr. 1 führt eine holprige Piste zu einem
einsamen Toilettenhäuschen mit Spitzengardinen, das direkt an einer Gletscherzunge des Vatnajökull liegt.
Wir bleiben die einzigen Gäste in dieser Nacht, abgesehen von den Singschwänen, die an einem nahen Tümpel brüten. In
der Ferne leuchten die schneebedeckten Gipfel des Vatnajökull im nächtlichen Sonnenschein, mit einer Fläche
von 8300 Quadratkilometer der größte Gletscher Europas.
In nördlicher Richtung
führt die Ringstraße durch eine Landschaft, die mit ihren satten grünen Kuhweiden an das Allgäu erinnert. Der Bauernhof
„Brunnhóll“ wirbt für selbst gemachtes Gletschereis. Eis vom Gletscher gehört zwar nicht zu den Zutaten, dafür aber Milch
von freilaufenden Kühen. Wie viele Landwirte bietet Sigurlaug Gissurardottir auch Gästezimmer an.
Für
sie hat die Wirtschaftskrise auch etwas Gutes, denn wegen der schwachen Währung kommen immer mehr ausländische Touristen.
Außerdem verbringen viele Isländer wieder den Urlaub auf der Insel. Vor einigen Jahren sah dies noch ganz anders aus:
„Manche fuhren mit leeren Koffern in die USA, um einzukaufen“, erzählt die Bäuerin. Dies ist nun vorbei.
Thermalbad oberhalb des Myvatn.
Blick über die Lagune Jökulsárlón auf den Gletscher
Vatnajökull.
Die Region um den Myvatn (Mückensee) gehört
zu den vulkanisch aktivsten Zonen Islands.
Die bei Touristen beliebte Lagune Jökulsárlón
unterhalb des Gletschers Vatnajökull gehört zu den Naturwundern Islands.
Felsnadel-Formationen nahe Vik im Süden Islands.
Papageitaucher
Bei Brunnhóll kann man an eine Gletscherzunge des Vatnaökull
heranfahren.
Mahlzeit mit Blick auf den Wasserfall Urridafoss.
Islandpferde
Herrlich gelegen ist dieser Campingplatz unterhalb
des Wasserfalls Skógafoss.
Bergsee in Olfafsfjördur
Von der Straße entlang des Sees Sifluvat bietet
sich ein traumhafter Ausblick.
Islandpferde in den Tälern der Halbinsel Tröllaskagi.
Auch für Jón Björnsson, der durch die
Krise arbeitslos wurde. „Auslandsreisen kann ich mir nicht mehr leisten“, sagt er. Wir treffen ihn auf einem Campingplatz
am See Lagarfjót, wo er mit seiner Familie Ferien macht. Das 38 Kilometer lange Gewässer im Nordosten ist
umgeben vom größten Wald Islands. Schade, dass es zum Schwimmen zu kalt ist.
Doch Gelegenheiten
zum Baden gibt es in Island reichlich. Mehr als 70 Orte bieten durch heiße Quellen gespeiste Schwimmbäder.
Hinzukommen
unzählige „Hot pots“ (isländisch: Heitur pottur), das sind Sitzbadewannen für mehrere Personen. Der „heiße Pott“ ersetzt Kneipe
und Gruppentherapie und ist vielleicht mit ein Grund für die hohe Lebenserwartung der Insulaner.
Islands
größte und bekannteste Badewanne ist die Blaue Lagune nahe der Hauptstadt Reykjavík. Inzwischen
hat der völlig überlaufene Touristenmagnet Konkurrenz bekommen. Im Norden direkt an der Ringstraße gelegen, kann man im 40
Grad heißen Wasser plantschen, das aus 2500 Metern Tiefe aufsteigt. Das Thermalbad liegt in einer der vulkanisch aktivsten
Zonen des Landes. Brodelnde Schlammtöpfe und zischende Solfatare, die schwefelhaltige Gase ausstoßen, bieten einen kleinen
Vorgeschmack auf die Hölle.
Lieblich und grün dagegen zeigt sich die Landschaft rund um den
einige Kilometer entfernten Myvatn (Mückensee). Das Gewässer, an dem Tausende von Enten brüten, ist ein landschaftliches
Kleinod. Wenn nur nicht die Mücken wären. „Es ist schrecklich. Sie kriechen in Ohren und Nase“, klagt der Besitzer
eines Ladens. Neben Moskitonetzen, isländischen Outdoor-Jacken (Made in China) verkauft er auch „Geysir-Brot“, das 22 Stunden
lang mit Erdwärme gebacken wird.
Weiter westlich des Sees führt die Ringstraße über lachsreiche Flüsse,
vorbei am Godafoss, dem Wasserfall der Götter, hin zur hübschen Stadt Akureyri. Von hier
sind es rund 400 Kilometer zum Flughafen Keflavík. Wem Zeit bleibt, sollte jedoch einen Umweg fahren über die nördlich
gelegene Tröllaskagi. Die gebirgige Halbinsel der Trolle mit ihren einsamen Tälern voller
Islandmohn zählt zu den schönsten Regionen der Insel. An der Nordspitze liegt das Fischerdorf Siglufjördur,
zu erreichen über eine abenteuerliche Küstenstraße, die sich an einem schroffen Berghang empor windet bevor sie das letzte
Stück in einen Tunnel eintaucht.
Für den abgelegenen Ort ist der Tunnel ein Segen. Früher
mussten sich die Bewohner über einen gefährlichen, oftmals von Wolken verhangenen und verschneiten Pass quälen. Reisende berichteten,
sie hätten dort oben Gespenster gesehen. Mancher Wanderer soll in dem Gebirge verschollen sein und als Wiedergänger herumspuken.
Das ließ einen Pfarrer nicht ruhen. Um die Geister zu vertreiben, las er auf dem Pass eine Messe.
Unser
Abschied von der Insel ist stürmisch. Heftige Windböen drücken bei der Rückfahrt zum Flughafen gegen das Fahrzeug. Ich erinnere
mich an Hannas Warnung: Bei starkem Wind langsam fahren und nicht abrupt gegenlenken. Bei Sturm ganz anhalten und mit
der Nase in Windrichtung parken. Ein ausländisches Ehepaar hat dies nicht beherzigt. Ihr Wohnmobil wurde auf der Halbinsel
Snaefellsnes umgeworfen. Totalschaden. Die beiden Insassen kamen mit einem Schrecken davon.
Text:
Ulrich Willenberg
Fotos: Ulrich Willenberg
Fotos: Ulrich Willenberg
Informationen
Zur Länderinfo Island
www.visiticeland.com
Anreise
Es gibt regelmäßige Flugverbindungen von Wien nach Reykjavik.Wenn Sie mit dem Wohnmobil anreisen möchten, können Sie mit der Smyril Line von Norddänemark nach Seydisfjördur auf Island fahren.
www.smyrilline.de
Miete
Nebensaison: ab 1.500,- pro WocheHauptsaison: ab 2.250,- pro Woche
Passende Angebote finden Sie bei allen ÖAMTC Reisebüros.
Camping
Es gibt etwa 200 registrierte Campingplätze, die je nach Lage von Anfang Juni bis Mitte September geöffnet sind. Die Preise zwischen den einzelnen Plätzen schwanken erheblich.Eine Liste aller Campingplätze finden Sie hier.
Wer etwas sparen will, kann eine Campingkarte für 159,- Euro (Stand 2018) online bestellen oder vor Ort kaufen. Sie ermöglicht maximal 28 Übernachtungen auf 42 Plätzen. Und das für zwei Erwachsene mit bis zu vier Kindern (bis 16 Jahre). Vorort fällt pro Karte noch die isländische Zeltplatzsteuer (333 kr pro Nacht) an. Alle Informationen finden Sie unter www.campingkarte.is.
Außerhalb von registrierten Plätzen gilt:
- In Wohngebieten dürfen auf unbebautem Land bis zu drei Zelte für eine Nacht aufgestellt werden, wenn es keinen Campingplatz in der Nähe gibt.
- In der Nähe von Wohnhäusern und auf eingezäuntem Land muss der Besitzer gefragt werden.
- Im Hochland darf man Zelte aufbauen.
- Beim Abstellen von Wohnmobilen ist immer die Genehmigung des Landbesitzers oder eines anderen Berechtigten einzuholen.
- Im Süden ist das Campen außerhalb von Campingplätzen in Vans, Bussen oder Zelten verboten.
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Stand der Informationen: 12.12.2018